Dipol - Was wirklich passiert
Der klassische λ/2-Dipol ist eine der ältesten und zuverlässigsten Antennenformen im Amateurfunk – und das aus gutem Grund: Er ist einfach aufzubauen, leicht abzustimmen und strahlt effizient ab. Doch hinter dem scheinbar simplen Draht steckt mehr, als man auf den ersten Blick vermutet. Gerade bei der Speisung – ob mittig oder außermittig – lauern Fehlerquellen, die sich auf Leistung, Abstrahlcharakteristik und sogar auf die Störsicherheit der Station auswirken können.
In diesem Beitrag schauen wir uns an, was es mit den stehenden Wellen wirklich auf sich hat, wozu sie nötig sind – und wie Baluns, Ununs und Mantelwellensperren ihren sinnvollen Platz im klassischen Antennenbau finden.
📌 Kurz zusammengefasst: Die fünf wichtigsten Punkte
- Auch bei einem resonanten Dipol entstehen stehende Wellen auf dem Antennendraht – sie sind nicht nur normal, sondern erforderlich.
- Wird ein symmetrischer Dipol mit Koaxialkabel gespeist, ist ein Balun zwingend notwendig, um Mantelwellen und unsymmetrische Abstrahlung zu vermeiden.
- Außermittige und endgespeiste Dipole erfordern wegen ihrer hohen Impedanz spezielle Ununs, oft mit nachgeschaltetem Tuner.
- Ein 9:1-Unun reicht für eine EFHW meist nicht aus – es können Impedanzen bis zu 4500 Ohm auftreten.
- Ohne Mantelwellensperre gelangt HF auf den Koax-Außenleiter – das verursacht Störungen, Rücklaufleistung und Heizkörper, die plötzlich mitreden.
⚡ Physikalischer Hintergrund – Die Maxwell’schen Gleichungen im Antennenkontext
📡 Und was hat das mit Antennen zu tun?
Ein wechselnder Strom im Antennendraht erzeugt gemäß der vierten Gleichung ein sich veränderndes Magnetfeld. Dieses wiederum – nach der dritten Gleichung – induziert ein elektrisches Feld senkrecht dazu. Zusammen entsteht ein sich ausbreitendes elektromagnetisches Feld: die Funkwelle.Die Antenne ist also nicht nur ein Draht – sie ist eine Struktur, in der die Maxwell’schen Gleichungen „leben“ und aus elektrischer Energie Raumwellen formen.
🎯 Warum stehende Wellen dazugehören
Die stehenden Wellen im Dipol sind eine Konsequenz der Reflexion der HF am offenen Ende. Die dort entstehenden Spannungsspitzen (E-Feld-Maxima) und Stromminima (B-Feld-Minima) sind Voraussetzung für die effektive Kopplung von Feldenergie in den Raum.🔍 Praxis-Tipp: Theorie ohne Praxis bleibt Theorie
Für den Funkamateur bedeutet das:Wer das Zusammenspiel von Spannung und Strom entlang des Drahts versteht, versteht auch, warum Anpassung, Balun, Unun und Mantelwellensperre eine entscheidende Rolle spielen.
Die Maxwell’schen Gleichungen sind kein abstraktes Konstrukt – sie erklären jede Funkverbindung.
🧭 Was sind stehende Wellen – und wozu dienen sie?
Bei einer λ/2-Antenne (Dipol) entsteht durch Reflexion der eingespeisten Hochfrequenz an den offenen Enden eine stehende Welle auf dem Draht:
- In der Mitte: Strommaximum, Spannungsminimum
- An den Enden: Stromminimum, Spannungsmaximum
Diese stehenden Wellen ermöglichen die Bildung eines resonanten elektromagnetischen und quasi statischen Feldes, das anschließend in den Raum abgestrahlt wird. Sie sind also gewollt und funktional – nicht etwa ein Zeichen von Fehlanpassung.
💡 Merke: Ohne stehende Wellen auf dem Draht gibt es keine effektive Abstrahlung.
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🎯 Die Rolle des Baluns bei mittiger Speisung mit Koax
Ein klassischer Dipol ist symmetrisch, das Koaxialkabel jedoch unsymmetrisch. Wird der Dipol ohne Symmetrierung direkt an Koax angeschlossen, treten folgende Probleme auf:
- Asymmetrischer Stromfluss auf den beiden Dipolschenkeln
- HF-Strom auf dem Außenleiter des Koaxkabels
- Unsymmetrische Abstrahlung und starke Störempfindlichkeit
Die Lösung ist ein Balun (balanced → unbalanced), der zwischen Koaxkabel und Antenne geschaltet wird:
- Balun 1:1, bei bereits passender Impedanz
- Balun 4:1, wenn z. B. ein Faltdipol mit ~200 Ohm gespeist wird
⚠️ Außermittige Speisung – hohe Impedanz, hohe Ansprüche
Sobald die Speisung aus der Mitte verschoben wird – etwa bei einem OCFD (Off-Center-Fed Dipol) oder einer EFHW (Endfed-Halbwellenantenne) – steigen die Impedanzwerte erheblich:
Position | Abstand vom Zentrum | Strom | Spannung | Impedanz (Z = U / I) |
---|---|---|---|---|
0 λ | 0 | Maximum | Minimum | ca. 50–75 Ω |
0.1 λ | 1/10 λ | Sehr hoch | Niedrig | ca. 100 Ω |
0.2 λ | 1/5 λ | Hoch | Steigend | ca. 150–200 Ω |
0.3 λ | 3/10 λ | Mittel | Mittel | ca. 300–400 Ω |
0.4 λ | 2/5 λ | Sinkend | Hoch | ca. 600–800 Ω |
0.5 λ | 1/2 λ (Ende) | Minimum | Maximum | ca. 2000–5000 Ω |
❌ Warum ein 9:1-Unun nicht ausreicht
Ein 9:1-Unun ist für Impedanzen bis etwa 800–1000 Ohm geeignet. Bei EFHW-Antennen entstehen aber Impedanzen von mehreren KiloOhm – da reicht ein einfacher Unun nicht mehr aus.
✅ Die richtige Lösung
- 49:1-Übertrager mit geeignetem Ferritmaterial (z. B. FT240-43)
- Zusätzlicher Tuner bei Multibandbetrieb
- Mantelwellensperre am Speisepunkt – zwingend erforderlich
🧱 Mantelwellensperre – der oft vergessene Lebensretter
Ohne Mantelwellensperre auf dem Koaxkabel kann sich HF auf dem Mantel ausbreiten. Die Folgen:
- Brummende Lautsprecher
- Abstürzende Router oder SDRs
- „Sprechende“ Wasserleitungen
Ein einfacher Mantelwellensperre mit 3–5 Windungen RG-58 auf FT240-43 oder FT240-31 reicht oft schon aus, um diese Probleme zuverlässig zu verhindern.
📊 Praxisübersicht: Speisepunkt, Anpassung, Besonderheiten
Antennentyp | Impedanz am Speisepunkt | Benötigte Anpassung | Hinweise |
---|---|---|---|
λ/2-Dipol (mit Koax) | 50–75 Ohm (symmetrisch) | Balun 1:1 oder 4:1 | |
OCFD (1/3-Speisung) | 200–300 Ohm (unsymmetrisch) | Unun 4:1, Tuner, Mantelwellensperre | Mantelwellengefahr |
EFHW (Endfed Halbwelle) | 2000–4500 Ohm (unsymmetrisch) | 49:1-Übertrager, Tuner, Mantelwellensperre | 9:1-Unun unzureichend |
🧭 Fazit: Wer sauber speist, funkt besser
Antennenbau ist kein Geheimnis – aber auch kein Ort für Nachlässigkeit. Wer sich die Mühe macht, Symmetrie, Impedanz und HF-Führung richtig umzusetzen, gewinnt mehrfach:
- Mehr Leistung
- Saubere Abstrahlung
- Weniger Störungen
Deshalb: Balun oder Unun korrekt einsetzen – und die Mantelwellensperre nie vergessen!
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