European Tropospheric Propagation Forecast

European Tropospheric Propagation Forecast

Der European Tropospheric Propagation Forecast (ETPF) ist ein spezieller Vorhersagedienst für Funkausbreitung in der Troposphäre, also in der unteren Schicht der Erdatmosphäre bis etwa 12 Kilometer Höhe. Er liefert Funkamateuren wertvolle Hinweise, wann und wo überdurchschnittlich gute UKW- und Mikrowellenverbindungen möglich sind. Die Prognosen werden aus meteorologischen Modellen abgeleitet und sind auf verschiedenen Webseiten tagesaktuell abrufbar.

Beispielkarte Europa, Quelle: https://tropo.f5len.org/

Physikalischer Hintergrund

Normalerweise breiten sich UKW-Signale in gerader Linie aus und folgen der Erdkrümmung nur geringfügig. Bei stabilen Hochdruckwetterlagen kann es jedoch zur Bildung sogenannter Inversionsschichten kommen: Dabei liegt warme, trockene Luft über kühler, feuchter Luft. Diese Schichtung verändert die Brechungseigenschaften der Atmosphäre – Funkwellen werden gebogen und können über Hunderte Kilometer entlang dieser Schicht „geleitet“ werden. Man spricht dann von Troposphärenduktion oder Tropospheric Ducting.

Funktionsweise und Farbskala des ETPF

Der ETPF kombiniert aktuelle meteorologische Daten (Temperatur, Feuchte, Druckgradienten) mit mathematischen Modellen, um die Refraktivitätsverteilung der Atmosphäre zu berechnen. Das Ergebnis wird als farbcodierte Karte dargestellt, wobei die Farben den erwarteten Grad der Signalverstärkung oder Dämpfung anzeigen.

Bedeutung der Farbstufen

Die folgende Skala beschreibt die übliche Interpretation (leichte Unterschiede je nach Quelle möglich):

  • Grau bis Dunkelviolett: Keine oder nur minimale Überreichweiten. Die Signaldämpfung ist höher als normal, es besteht keine nennenswerte Troposphärenschicht. Verbindungen liegen meist im lokalen Bereich (50–150 km).
  • Grün: Geringe Verstärkung durch leichte Refraktion. Weitverbindungen bis 200 km möglich, meist unter stabilen Wetterlagen mit leichter Inversion.
  • Gelb: Deutlich erhöhte Refraktivität. Gute Chancen für Überreichweiten auf 144 MHz, 432 MHz und 1,2 GHz. Verbindungen bis 500 km keine Seltenheit.
  • Orange: Starke Troposphärenschicht. Typisch bei sommerlichen Hochdruckgebieten über Nord- oder Südeuropa. DX-Verbindungen über 800–1200 km sind häufig beobachtet worden.
  • Rot: Ausgeprägte „Ducting Zones“. Hier wird das Funksignal zwischen zwei Luftschichten „eingeschlossen“ und kann über 1500 km oder mehr geführt werden. Besonders günstig für CW, SSB und digitale Betriebsarten wie FT8 oder VARA-FM.

Nutzen für den Funkamateur

Funkamateure auf den Bändern von 50 MHz bis 10 GHz können den ETPF als Prognosetool nutzen, um ihre Betriebszeiten und Richtungen gezielt zu planen. Besonders UKW-Contester, Bakenjäger oder Experimentalfunker profitieren davon.

  • Gezielte DX-Planung: Sichtbare rote Zonen auf der Karte deuten auf Ducts hin – ein idealer Zeitpunkt, die Antenne Richtung der markierten Gebiete zu drehen.
  • Analyse von Bandöffnungen: Durch den Vergleich von realen Empfangsberichten mit den Prognosen lässt sich die Zuverlässigkeit der Modelle einschätzen und der eigene Erfahrungswert erweitern.
  • Weitverkehrskommunikation: Eine temporäre Troposphärenverbindung kann weit entfernte Stationen verbinden, wo sonst kein Kontakt möglich wäre.
  • Technische Ausbildung: Der ETPF eignet sich hervorragend, um die Verbindung von Wetterkunde, Physik und Funktechnik praxisnah zu vermitteln.

Praxisbeispiel

Ein stabiles Hochdruckgebiet über der Ostsee führt im Herbst zu einer markanten Inversionsschicht. Der ETPF zeigt ein kräftiges oranges bis rotes Band zwischen Dänemark, Polen und dem Baltikum. Deutsche Stationen auf 144,300 MHz empfangen plötzlich starke Signale aus Estland mit S5 bis S9. Digitale Baken wie SK6VHF oder OH2VHF werden weit außerhalb ihrer üblichen Reichweite empfangen. So lassen sich die Prognosen des ETPF eindrucksvoll bestätigen.

Fazit

Der European Tropospheric Propagation Forecast ist für den Funkamateur ein ebenso nützliches wie faszinierendes Werkzeug. Er veranschaulicht, wie eng Wetter, Physik und Technik zusammenwirken und ermöglicht außergewöhnliche DX-Erlebnisse auf UKW. Wer regelmäßig die Prognosen verfolgt und sie mit realen Empfangsbeobachtungen kombiniert, erweitert nicht nur sein technisches Wissen, sondern erlebt Amateurfunk in seiner schönsten Form: als Verbindung von Natur, Wissenschaft und Kommunikation über weite Entfernungen.