Ausbreitung - Abenteuer Troposphäre



Troposcatter – Grundlagen und Einsatzbereiche


Jenseits von 80 Metern – tägliches DX durch Troposphärenfunk

Wäre es nicht reizvoll, jeden Tag deutschlandweite, störungsfreie Funkverbindungen führen zu können – ganz ohne Internet, unabhängig und zuverlässig? Wer sich mit dem aktuellen Zustand auf dem 80-Meter-„Deutschlandband“ befasst, weiß, wie schwierig das geworden ist. Neben den oft ungünstigen Ausbreitungsbedingungen beeinträchtigen künstliche Störquellen wie LED-Beleuchtung, PLC-Systeme und Schaltnetzteile den Betrieb erheblich.

Welche Alternativen bieten sich, um den Amateurfunk in seiner ursprünglichen Form zu erleben, ohne auf internetgestützte digitale Betriebsarten zurückzugreifen?

Ein Blick zurück kann helfen: Zu Zeiten der alten C-Lizenz war Kurzwellenbetrieb nicht erlaubt. Funkfreunde orientierten sich daher an den höheren Bändern und führten regelmäßig Verbindungen über mehrere hundert Kilometer – allein mit UKW-Technik. Diese Möglichkeiten sind heute fast in Vergessenheit geraten. Dabei erlaubt uns moderne Technik – leistungsfähige Transceiver, empfindliche Empfänger, hochwertige, verlustarme Koaxialkabel und ausgefeilte Antennensysteme – erneut, an diese Hochphase des VHF-/UHF-Funks anzuknüpfen.

Was versteht man unter Troposcatter-Kommunikation?

Troposcatter-Kommunikation, auch als troposphärische Streuung bezeichnet, nutzt die Ausbreitung von Radiowellen in der untersten Schicht der Erdatmosphäre – der Troposphäre –, um Funkverbindungen über größere Entfernungen zu ermöglichen. Dabei werden hochfrequente Funksignale so ausgesendet, dass sie an Dichteunterschieden und Unregelmäßigkeiten in der Troposphäre, wie etwa Feuchtigkeitsschwankungen oder atmosphärischen Turbulenzen, gestreut werden. Diese Streuung erlaubt es, Signale auch über den sichtbaren Horizont hinaus zu übertragen, wodurch Hindernisse wie Erdkrümmung oder Geländeunebenheiten überwunden werden.


Technische Funktionsweise

Die Troposphäre erstreckt sich je nach geographischem Standort und Wetterbedingungen etwa von 7 bis 20 Kilometern Höhe. Funksignale im Frequenzbereich zwischen 1 und 10 GHz werden mit hoher Leistung ausgesandt und in einem schmalen Winkel von circa 2 bis 5 Grad über dem Horizont zur Troposphäre gerichtet. Dort treffen sie auf zahlreiche winzige Streuzentren, wie Wassertröpfchen oder Staubpartikel, die die Signale in verschiedene Richtungen zerstreuen. Ein Empfänger am Zielpunkt nimmt einen Teil dieser gestreuten Signale auf, sodass auch ohne direkte Sichtverbindung eine Kommunikation möglich wird.


Abgrenzung zu anderen Überhorizont-Ausbreitungen

  • Troposphärische Überreichweiten treten meist nur bei Inversionswetterlagen auf und sind unregelmäßig.

  • Sporadic-E ist saisonal und sehr unbeständig.

  • EME (Erd-Mond-Erd-Kommunikation) erfordert sehr hohe Antennengewinne und exakte Planung.

  • Satellitenfunk ist abhängig von Umlaufbahnen, Relaisstationen und oft vom Internet.

Troposcatter dagegen bietet tägliche, wetterunabhängige Reichweiten ohne externe Infrastruktur.

Typische Anwendungsarten

Man unterscheidet hauptsächlich zwischen Punkt-zu-Punkt- und Punkt-zu-Mehrpunkt-Systemen:
  • Punkt-zu-Punkt-Verbindungen ermöglichen die direkte Funkkommunikation zwischen zwei festen Standorten, oft über Distanzen bis zu 480 Kilometern. Diese Systeme arbeiten häufig im GHz-Bereich und benötigen eine präzise Ausrichtung der Antennen. Sie bieten eine zuverlässige, schnelle Datenübertragung ohne Abhängigkeit von Satelliten.
  • Punkt-zu-Mehrpunkt-Systeme dienen dazu, von einem Sender aus mehrere Empfänger über ein großes geografisches Gebiet zu erreichen. Diese Variante nutzt meist niedrigere Frequenzen zwischen 200 und 400 MHz und kann Entfernungen bis zu 800 Kilometern überbrücken. Solche Systeme sind besonders in abgelegenen oder infrastrukturell unterversorgten Regionen von Bedeutung.


Einsatzbereiche der Troposcatter-Kommunikation


Militärische Anwendungen:

  • Troposcatter bietet vor allem im militärischen Umfeld Vorteile, wenn eine sichere und zuverlässige Kommunikation über große Entfernungen auch ohne Sichtverbindung erforderlich ist. So können beispielsweise vorgeschobene Operationsbasen (FOBs) oder Feldkommandos in abgelegenen Gebieten vernetzt werden, selbst wenn herkömmliche Funk- oder Satellitenkommunikation durch Gelände oder Umweltbedingungen eingeschränkt ist.

Überwachung kritischer Infrastrukturen:

  • Insbesondere bei der Fernüberwachung von Öl- und Gaspipelines, die oft durch entlegene oder schwer zugängliche Gebiete verlaufen, ist eine durchgängige Kommunikationsverbindung essenziell. Troposcatter ermöglicht hier eine kontinuierliche Datenübertragung und Fernsteuerung ohne aufwändige Zwischenstationen.

Katastrophenmanagement und Notfallkommunikation:

  • Im Falle von Naturkatastrophen oder anderen Krisenlagen, wenn herkömmliche Kommunikationsnetze ausfallen, kann Troposcatter schnell alternative Verbindungen bereitstellen. Diese Technologie schafft Kommunikationsnetze, die unabhängig von beschädigter Infrastruktur sind, und unterstützt so Rettungskräfte und Behörden bei Koordination und Informationsaustausch.

Amateurfunk

  • Im Amateurfunk eröffnet die Troposcatter-Kommunikation vielfältige Einsatzmöglichkeiten, insbesondere wenn herkömmliche Sichtverbindungen aufgrund von Gelände oder Erdkrümmung nicht möglich sind. So eignet sich diese Technik hervorragend, um über mehrere hundert Kilometer hinweg stabile Funkverbindungen aufzubauen, selbst wenn Berge, Täler oder dichte Wälder die direkte Ausbreitung blockieren.

  • Darüber hinaus gewinnt Troposcatter in der Notfall- und Katastrophenkommunikation an Bedeutung. Wenn herkömmliche Kommunikationsnetze durch Naturereignisse ausfallen, ermöglicht diese Methode dennoch den Aufbau zuverlässiger Verbindungen. Auch für mobile Stationen, beispielsweise auf Reisen mit dem Wohnmobil oder bei Expeditionen, stellt Troposcatter eine wertvolle Alternative dar, besonders wenn Satelliten- oder Relaisverbindungen nicht verfügbar sind.

  • Amateurfunker nutzen diese Ausbreitungsart außerdem, um experimentelle Untersuchungen zur troposphärischen Streuung durchzuführen und so ihr Wissen über besondere Funkwege zu erweitern. Ebenso ist die Troposcatter-Kommunikation für die Punkt-zu-Punkt-Datenübertragung interessant, etwa um digitale Betriebsarten wie Packet Radio über große Distanzen mit hoher Geschwindigkeit zu realisieren.

  • Bei Funkveranstaltungen und Wettbewerben kann die Nutzung von Troposcatter eine erweiterte Reichweite ermöglichen und so zusätzliche Verbindungsoptionen schaffen. In abgelegenen oder infrastrukturell schwachen Regionen bietet diese Technik zudem eine Möglichkeit, das Amateurfunknetz gezielt zu erweitern und die Abdeckung zu verbessern.

  • Nicht zuletzt dient die Troposcatter-Kommunikation als wichtige Backup-Lösung, um kritische Verbindungen unabhängig von anderen Übertragungswegen aufrechtzuerhalten und so eine robuste Kommunikationsinfrastruktur im Amateurfunk zu gewährleisten.

Technische Voraussetzungen und Umsetzung

Troposcatter-Verbindungen sind durch eine erhebliche Zusatzdämpfung von etwa 80 dB gegenüber der Freiraumausbreitung gekennzeichnet. Daher sind folgende Maßnahmen nötig:
  • Hochrichtende Antennen wie 10-Element-Yagi (ca. 12 dB Gewinn) auf beiden Seiten
  • Sendeleistung von etwa 100 W in SSB
  • Frequenzbereich bevorzugt um 144 MHz (2-m-Band), aber auch 70 cm und höher möglich
  • Einsatz von LNA-Vorverstärkern zur Verbesserung des Empfangs
  • Verwendung rauscharmer Empfänger, ggf. SDR-Technik
  • Digitale Betriebsarten mit hoher Empfindlichkeit wie FT8, Q65 oder klassische CW

Linkbilanz als Beispiel


Legt man auf beiden Seiten konservativ eine 10-Element-Yagi mit 12 dB Gewinn zugrunde, lässt sich bei 100 W Sendeleistung auf 2 m in SSB eine Reichweite von etwa 300–400 km mit gut lesbaren Signalen überbrücken – inklusive Schwundreserve. Mit antennennahen Vorverstärkern oder leistungsfähigeren Antennensystemen steigt die erreichbare Distanz weiter. Auf höheren Bändern verbessert sich das Verhältnis zwischen Dämpfung und erreichbarem Antennengewinn zusätzlich.

Leitungs- / Reichweitendiagramm


Wesentliche Fakten auf einen Blick


MerkmalBeschreibung
Frequenzbereiche300 MHz – 10 GHz, bevorzugt 2m/70cm
Abstrahlwinkelca. 2°–5° über dem Horizont
Reichweite300–500 km, teils mehr
Dämpfungca. 80 dB Zusatzverlust
Antennen  Hochrichtende Yagis, Parabolspiegel
BetriebsartenSSB, CW, FT8, Q65
Technische HilfsmittelLNA, SDR, verlustarme Kabel
BesonderheitWetterunabhängig, täglich nutzbar
AnwendungDX auf UKW/UHF, Notfunk, experimenteller Betrieb


Fazit

Troposcatter-Kommunikation eröffnet dem technisch versierten Funkamateur eine herausfordernde, aber lohnende Möglichkeit, unabhängig von Internet und Satelliten zuverlässige Mittel- bis Langstreckenverbindungen aufzubauen. Von Nord- nach Süddeutschland, quer durch Gebirge oder über See – diese Betriebsart verbindet klassische Funktechnik mit modernem Know-how und echtem DX-Gefühl.

Weiterführende Informationen => unten klicken ...

Technischer Hintergrund & Theorie

Amateurfunkpraxis & Versuche

Abgrenzung zu anderen Ausbreitungsarten

Vertiefende Literatur

  • Rothammel, Antennenbuch: Kapitel Troposcatter – mit Fokus auf Richtantennen und Streuung.
  • ARRL Handbook (aktuelle Ausgabe): Enthält Abschnitte zu Scatter und Weitausbreitung im UKW-/SHF-Bereich.




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